Die Aufklärungsstunde

 

Die Bediensteten sind gegangen. Ich rufe nach meinen Brüdern und Schwestern. Zum Glück stand die Tür zum riesigen Raum einen Spalt weit offen.
Ich höre die Stimme des Alten. Er ist schon lange hier. Die anderen tuscheln immer über ihn, sie sagen, daß ihn niemand will. Ich glaube, er will nicht in die Freiheit. Er tut immer ganz abweisend, wenn wir nicht alleine sind.
Der Alte sagt zu mir: „He, Du junger Spund. Ich sehe, Du hast von der Welt noch keine Ahnung.“ Ich antworte verschüchtert: „Woher ich denn etwas erfahren könne? Ich bin die ganze Zeit in diesem dunklen Raum und wenn die Tür geschlossen ist, hört man nicht einmal Euere Unterhaltung.“
Der Alte schweigt eine Zeit bevor er bedächtig erklärt: „Ich werde Dich aufklären mein Sohn.“
Ich erschauderte. Er sagte, mein Sohn. Sollte er das sagenhafte Ur-Bike sein. Ich wurde rot als er fortfuhr: „Was dachtest Du denn, Du kleines dummes Mountain-Bike. Aber nun höre zu:

„Vor langer Zeit erlangten wir Fahrräder die Fähigkeit uns zu verständigen. Wir kennen alle Sprachen und alle Gedanken dieser Welt. Wir hören nicht mit Ohren, wir sprechen nicht mit Mündern. Unsere Verständigung geschieht über die Gedanken. Du wirst noch lernen, die Gedanken von Nicht-Fahrrädern zu verstehen, Du bist noch zu jung.
Deine Bediensteten sind Verkäufer. Das Ding, wie Du es nanntest, ist ein Fahrer. Unterbreche mich nicht, Du mußt heute Nacht lernen. Morgen früh bist Du fort. Ich konnte die Gedanken des Fahrers lesen. Er wird Dich kaufen. Kaufen bedeutet: Du wirst ihm gehören. Die Menschen sind so. Sie glauben, ein Eigentumsrecht erwerben zu können. Für sie bist Du eine Sache, ein Ding ohne Leben. Ich mußte heute Abend lachen, als Du auch glaubtest, im Unbekannten zuerst eine Sache, ein Ding zu sehen.
Und nun mußt Du Dich konzentrieren. Wir werden unser gesamtes Wissen teilen. Nach dieser Teilung wirst Du das gesamte Wissen dieser Welt besitzen. Doch ich muß Dich warnen. Du besitzt das Wissen, nicht die Erfahrung dieses Wissen zu verwenden. Diese Erfahrung machst Du erst, wenn Du etwas erlebst. Nun entspanne Dich, es wird lange dauern.“

Als ich wieder denken konnte, wurde es hell. Die Bediensteten, nein, die Verkäufer kamen. Heute sollte der Tag sein. Der Tag, auf den ich schon so sehnsüchtig warte.
Ich forschte in mir. Der Alte, er ist wirklich das Ur-Bike, hatte recht. Ich habe Wissen und kann es nicht verwerten. Um Wissen zu benutzen, muß man Erfahrung, ein Gefühl für eine Situation besitzen.
Mein Fahrer, ist es ein guter oder ein schlechter Fahrer? Ich kenne die Unterschiede, aber ich kann sie nicht auf meinen Fahrer anwenden. Mir fehlt die Erfahrung mit Fahrern, mein Gefühl sagt nichts. Ich weiß nur, er war vorsichtig. Das ist ein gutes Zeichen.
Egal, ich kann es nicht ändern, also muß ich das Beste daraus machen.
Der Laden öffnet. Laden, das Wissen ist in dem Moment präsent, in dem ich es benötige.
Ich warte auf ihn.
Einer der Verkäufer kommt auf mich zu. Er schiebt mich in den Verkaufsraum. Da ist der Fahrer von gestern. Er sieht mich erwartungsvoll an. Da ist wieder dieses Lächeln, gütig, freundlich und offen für Neues.
Ich beschließe, es genau wie er anzugehen, mit Geduld und Verständnis.
Er spricht noch mit dem Verkäufer und kauft noch einige Teile. Ich kann leider nichts sehen.
Nun ist er fertig. Er schiebt mich zur Türe. Er öffnet die Türe und ich atme frische Luft. Mein Wissen sagt zwar, daß die Luft in der Stadt alles andere als frisch ist, aber eine frischere kenne ich noch nicht.


Die erste Begegnung Inhalt Mein Fahrer