Berge rauf und runter

 

Heute fahren wir später los. Es ist schon Mittag.
Er denkt an ein anderes Fahrrad. Ich bin entsetzt.
Ach so, er war für jemanden anderen unterwegs. Das Fahrrad soll nicht für ihn sein. Seine ehemalige Frau sucht etwas neues zum Fahren. Ich bin zufrieden.
Mit ihr sind wir schon einige Male gefahren. Es waren zwar nur kurze Trips, aber ich bin froh über jeden Meter. Vielleicht werden es mit dem neuen Fahrrad ja längere Touren.

Wo mag es heute hingehen.
Wir fahren ein paar Orte weiter und biegen in den Wald ein. Es geht bergan. Noch gibt es keine Probleme. Es ist rutschig, aber nicht besonders steil.
Wir überqueren eine Straße und tauchen auf der anderen Seite wieder in den Wald ein. Es ist buchstäblich ein Eintauchen. Das nasse Laub liegt wie ein Meer vor uns. Wir teilen es, wie ein Boot das Wasser teilt. Der eigentliche Weg ist gar nicht zu sehen. Es ist ein schönes Fahren. Das Laub raschelt und knistert ständig unter meinen Reifen.
Wir haben die Höhe erreicht. Von nun an geht es fast eben weiter.
Das Licht bricht durch die Bäume.
Die Sonne scheint und ich spüre ihre wärmenden Strahlen auf meinen Rädern und Rohren. Fast scheint sie mich, mit Energie zu versorgen. Der Wald bleibt zurück und weicht Feldern. Hier spüre ich die Sonne noch intensiver. Es ist richtig warm. Es ist Januar, trotzdem fühle ich mich, als wäre Frühling.
Ich sehne mich danach, denn die Bäume sind trotz der wärmenden Sonne und des strahlenden Himmels noch nackt, ihre alten Blätter liegen noch auf der Erde und die neuen sind noch nicht gewachsen. Es wirkt noch kahl im Wald.
Wir rollen wieder in den Wald.
An einem Aussichtspunkt läßt mich mein Fahrer ausrollen.
Die Aussicht ist herrlich. Vor uns liegt der gesamte Bonner Süden. Das Sonnenlicht bricht sich im Rhein und blendet uns.
Es braucht seine Zeit bis das Bild verarbeitet ist. Ich kann zwar die Geräusche von Bonn hören, es erscheint mir jedoch mehr wie ein Bild. Alles ist unwirklich, als ob man ein etwas unscharfes Bild betrachtet. Alles ist erkennbar und doch ist nichts scharf und dominant. Alles ist ein Teil des Ganzen und fügt sich harmonisch ein.
Nein, nicht jedes Teil. Einige Teile drängen sich auf und scheinen das Bild zu stören. Es sind Hochhäuser, die andere Gebäude weit überragen.
Als mir dies klar wird, beginne ich das Bild auf diesen Wald, die Natur, die Welt und sogar auf das Leben zu übertragen.
Die Hochhäuser behindern zum Beispiel teilweise den Luftaustausch für die Bonner City und den Bonner Norden.
Mein Fahrer scheint ähnlich zu denken, er will auch plötzlich fort von hier. Es ist beängstigend, was selbst vermeintliche Kleinigkeiten für Auswirkungen haben können. In diesem Gedanken kann man sich verlaufen und verloren gehen.

An den nächsten Aussichtspunkten halten wir wieder an. Die Pausen sind nur sehr kurz. Vor einem dieser Aussichtspunkte steht eine Felsnadel. Es sieht aus, als ob sie bei den Steinbrucharbeiten getrotzt hat.
Es ist ein schönes Bild: Der Held steht aufrecht nach dem Kampf. Kitschig, ich gebe es zu, aber diesen Eindruck habe ich nun einmal von diesem Bild.
Die Realität wird so aussehen, daß das Gestein nicht für den Abbau getaugt hat. Mir ist das Bild mit dem Helden lieber, man muß seiner Phantasie auch einmal freien Lauf lassen dürfen.

Es geht bergab. Ein schmalerer Weg führt uns zum Dornheckensee. Der See selbst strahlt eine eigenartige Kälte auf mich aus. Diese Kälte steht in seltsamem Kontrast mit der umgebenden Felswand. Die Wand wirkt warm und beschützend auf mich. Ein eigenartiger Ort.
Zum Glück fahren wir schnell weiter zum Blauen See.
Wir hätten es zwar nicht gedurft, aber dieser Trail ist schön zu fahren. Ich liebe diese schmalen Wege, denn hier kann ich meinem Namen alle Ehre machen.
Der Blaue See ist anders. Er liegt tief in einem Trichter, nur über diese schmale Schlucht zu erreichen.
Es folgen noch einige dieser schmalen Pfade.
Über einen dieser Wege gelangt man unter die große Abbauwand des Steinbruchs. Der Anblick ist überwältigend. Am Eingang dieses Pfades steht eine Gedenktafel. Hier starben vor 12.000 Jahren zwei Menschen.
Man fühlt sich klein und vergänglich unter dieser Wand.
Der Rückweg führt uns wieder auf die Höhe. Vorbei an den Aussichtspunkten fahren wir wieder in Richtung unserer Höhle.
Teilweise ist es fast zu steil für mich. An einigen Stellen sind die Grenzen der Physik fast erreicht. Das Vorderrad schwebt manchmal über dem Boden und das Hinterrad dreht ab und zu ohne Halt zur Seite weg, doch mein Fahrer bringt mich hoch.
Es ist ein schönes Gefühl.

Wir sind wieder gut an der Höhle angekommen und, schon fast eine Tradition, nach der Ankunft legt mein Fahrer eine CD ein, kocht sich einen Tee und putzt mich. Ich liebe dieses sanfte Kribbeln des Schaumes.

Diese Tour hat mit viel gegeben. Nicht nur eine neue, wichtige Erkenntnis, sondern auch einige schöne Erinnerungen an eine herrliche Landschaft und super Trails.


Eine einsame Nacht Inhalt Schattenwelt